Eigentlich war Zen Chos „Sorcerer to the Crown“ ein total uninformierter Spontankauf – das Cover sah halt hübsch aus, die Inhaltsangabe erzählte irgendwas von Magie und historischem Setting in Großbritannien und ich musste irgendeinen Mindestbestellwert erfüllen. Nicht unbedingt das beste Rezept, um sich gute Lektüre zu sichern, aber ich muss sagen, dass mich „Sorcerer to the Crown“ wirklich positiv überrascht hat.
Die Prämisse: In einem magischen London der Regency-Era ist Zacharias Whyte der erste schwarze Sorcerer Royal und damit der mächtigste Magier Großbritanniens – schon wegen seiner Hautfarbe eigentlich ein Skandal, dass ihm auch noch nachgesagt wird, er habe seinen Vorgänger und Ziehvater ermordet, ist da nicht hilfreich. Unglücklicherweise scheint Großbritannien auch noch die Magie auszugehen und dann stolpert Zacharias über den größten Skandal: Eine Magie ausübende Frau! Ach, und exotische Inseln, napoleonische Kriege und Großbritanniens Außenpolitik mischen sich auch noch in die ganze Sache ein.
Die Charaktere: Da ist zum einen natürlich Zacharias, der als Kind von Sir Stephen Wythe auf einem Sklavenschiff gefunden und freigekauft wurde und seitdem eine Kuriosität in der feinen Londoner Gesellschaft darstellt. Bei all der Feindseeligkeit, der er von Kindesbeinen an – und erst recht jetzt, als neuer Sorcerer Royal – ausgesetzt ist, fand ich ihn teilweise erstaunlich… naiv? Auf jeden Fall ist er zwar kein uninteressanter Charakter, hat aber auch definitiv keine Chance sich gegen die zweite Hauptfigur des Romans zu behaupten: Prunella Gentleman stiehlt ihm ohne weiteres die Show. Als Tochter eines Engländers und einer Inderin ist sie sowieso schon nicht das, was die Gesellschaft für angemessen hält, dass sie aber auch noch magische Kräfte besitzt, ist nun wirklich ein Skandal. Ich fand Prunella großartig, ihre Art mit den Erwartungen und Regeln der Gesellschaft zu spielen und sie zu ihrem Vorteil zu nutzen und auch, dass sie zwar stark und auch recht skrupellos ist, trotzdem aber auch mit durch und durch menschlichen Unsicherheiten daher kommt. Prunella ist jemand, den man nicht zum Feind haben will – Zacharias hingegen wer, den man sich als guten Freund vorstellen könnte. Leider konnte er sich in Gegenwart seines weiblichen Gegenstücks aber eben nicht wirklich als starker Charakter behaupten, denn auch wenn ich ihn, im Gegensatz zu Prunella, durch und durch sympathisch fand, ist es halt doch auch irgendwie langweiliger. Dazu kommen noch einige Nebencharaktere, die ich mal mehr, mal weniger gelungen fand und die insgesamt eher blass bleiben, auch wenn einige großes Potential hatten.
Der Konflikt: Davon gibt es, wie schon gesagt, einige. Die seltsamen Machenschaften der Feen und die schwindende Magie Großbritanniens. Ein paar Unruhe stiftende Gesandte einer abgelegenen asiatischen Insel, die eine wichtige Rolle im Krieg gegen die Franzosen spielen könnte. Die Mordvorwürfe gegen Zacharias und die Widerstände gegen sein Amt als Sorcerer Royal, die in der Royal Society of Unnatural Philosophers immer stärker zu spüren sind. Der Umgang der feinen Gesellschaft mit Frauen im Allgemeinen und magisch begabten Frauen im Besonderen. Und überhaupt ist in diesem London herzlich wenig mit eitel Sonnenschein. Ich fand es großartig, wie die einzelnen Elemente nach und nach immer mehr ineinander verwoben werden und ein Netz aus Magie und Intrigen spinnen, das einfach nur fesselnd ist.
Der Schreibstil: Teilweise großartig, teilweise schrecklich und ein bisschen so, als wäre Jane Austen Fantasyautorin gewesen. Ich mochte den Humor in diesem Buch sehr, diese teils unterschwellige Art mit cleveren Anspielungen eben so sehr, wie die einfach nur hochgradig amüsanten Szenen, in denen man laut los lachen wollte. Um damit etwas anfangen zu können, muss man sich allerdings erstmal mit dem Stil anfreunden, in dem der Roman geschrieben ist. Der ist anfangs doch erstmal recht unhandlich, ein wenig gestelzt und nicht gerade förderlich, um schnell mit der Geschichte voran zu kommen. Trotzdem, das Buch ist einfach total lustig – ohne dabei seine ernsthaften, tiefgründigen und blutrünstigen Seiten zu vernachlässigen.
Zur Handlung will ich eigentlich gar nichts sagen, außer dass sie an manchen Stellen vielleicht etwas unübersichtlich und an anderen etwas vorhersehbar, insgesamt aber doch ziemlich gelungen ist.
Insgesamt hat Zen Chos Regency-Fantasy „Sorcerer to the Crown“ zwar noch so ihre Schwächen, für einen Debütroman aber verdammt gut und auch wenn ich mir nicht so recht vorstellen kann, wie daraus eine Trilogie wird – die Handlung ist nämlich erfreulicherweise erstmal weitestgehend abgeschlossen, keine Cliffhanger in Sicht -, bin ich gespannt auf die weiteren Bände und kann dieses Buch nur jedem ans Herz legen, der sich für magisch-historische Fantasy mit feinem Humor, politischen Intrigen, starken Frauen und einer Prise Romantik begeistern kann!