Murderbot vs. Killerbot: Martha Wells‘ Novellen und ihre Übersetzung

Murderbot ? Ich bin Elena so dankbar, dass sie mir „All Systems Red“ von Martha Wells zum Geburtstag geschenkt hat. Ich war immer etwas abgeschreckt vom Preis und der Tatsache, dass die ersten vier Murderbot Bücher ‚nur‘ kurze Novellen sind (2020 erscheint der erste Murderbot Roman ?) aber nachdem ich den ersten Band erstmal hier liegen hatte, hat es nicht lang gedauert, bis ich alle vier Novellen verschlungen hatte. Denn was Martha Wells mit ihren „Murderbot Diaries“ geschaffen hat, ist einfach verdammt großartig.

The Murderbot Diaries …

Martha Wells „Murderbot Diaries“ erzählen – wenig überraschend – die Geschichte von Murderbot, einem Konstrukt, das zur Hälfte technisch/robotisch, zur Hälfte organisch/menschlich ist. Als SecUnit ist es Murderbots Aufgabe Menschen (und die Interessen des Konzerns, dem es gehört) zu beschützen – aktuell bedeutet das, dass Murderbot mit einer Gruppe Forscher*innen unterwegs ist, die einen Planeten erkunden. Welchen Planeten, das weiß Murderbot allerdings nicht und das interessiert es auch nicht wirklich. Menschen sind nämlich nicht so sein Ding und es nutzt seine Autonomie, die eine SecUnit eigentlich nicht haben sollte, lieber um trashige Medien wie Soap Operas zu konsumieren (und die Sexszenen zu überspringen). Absolut verständlich, Murderbot!

Im Laufe der vier Novellen wird Murderbots Gleichgültigkeit gegenüber Menschen allerdings hart auf die Probe gestellt. Auch wenn es nicht ansatzweise so viele Tote gibt, wie Murderbots selbstgewählter Name vermuten lässt, bietet die Geschichte einiges an Action und ein Mystery, das sich nach und nach entfaltet. Vor allem aber sind die „Murderbot Diaries“ eine tolle Geschichte darüber, was Menschen und Menschlichkeit ausmacht. Über Autonomie, Selbstbestimmung und -bewusstsein, freien Willen aber auch Freundschaft und darüber wie es ist schüchtern und introvertiert zu sein. Murderbots Blick auf die Menschheit ist total interessant und für mich an so vielen Stellen wahnsinnig nachvollziehbar gewesen.

Abgesehen von Murderbot gibt es zwar noch einige weitere Charaktere, die in allen vier Novellen auftauchen, aber die bleiben größtenteils recht schemenhaft und wirken mehr wie grob umrissene Skizzen als ausgereifte Figuren. Da die Geschichte aber aus Muderbots Sicht erzählt wird und Murderbot sich, zumindest zu Beginn, so gar nicht für Menschen im Allgemeinen und nur unwesentlich mehr für seine Schutzbefohlenen im Besonderen interessiert und dazu noch geradezu schmerzhaft schüchtern ist, passt das aber ganz gut zur Geschichte. Und nach und nach erfährt man auch als Leser*in ein bisschen mehr über die anderen Figuren, genau wie Murderbot sich halt auch langsam aber sicher mit der Idee befasst, dass es vielleicht doch mehr mit diesen Menschen gemeinsam hat, als gedacht.

Überhaupt ist die Entwicklung im Laufe der „Murderbot Diaries“ eine der großen Stärken der Reihe. Ja, ich war hin und weg sobald ich „All Systems Red“ gelesen hatte, aber „Artificial Condition“, „Rogue Protocol“ und „Exit Strategy“ machen sie Serie nur immer besser und besser – von gut zu großartig. Murderbot ist snarky af und versucht so hart über diesen komischen Menschen, von denen es umgeben ist, zu stehen, so zu tun als hätte es keine Gefühle und es ist klasse wie sich dieser Charakter weiterentwickelt. Genau wie auch die Welt der Novellen immer komplexer wird, werden es auch Murderbots Gefühle, seine Auseinandersetzung mit Menschlichkeit und seine Interaktionen mit anderen – übrigens nicht nur Menschen, sondern auch anderen Konstrukten und Bots.

Für mich waren die „Murderbot Diaries“ von Martha Wells auf jeden Fall eins meiner absoluten Highlights des Jahres und ich freue mich jetzt schon total, dass im Mai 2020 mit „Network Effect“ ein Murderbot Roman erscheint. Und eigentlich wäre meine Rezension damit auch rum, wenn da nicht noch diese eine Kleinigkeit wäre …

… und das Tagebuch eines Killerbots

Seit Mitte Oktober gibt es alle vier Murderbot Novellen nämlich auch in deutscher Übersetzung: Als „Tagebuch eines Killerbots“ sind sie als Sammelband bei Heyne erschienen. Weil ich mir dachte, dass ich die Übersetzung ja super für einen Reread nutzen könnte (wie ich es z.B. bei den „Wayward Children“ schon gemacht habe), habe ich das Buch als Rezensionsexemplar angefordert – und mich dann tierisch geärgert, dass ich vorher keinen Blick in die Leseprobe geworfen hatte. Denn die Übersetzung ist, in meinen Augen, einfach nur schlecht. Richtig, richtig schlecht. Ursprünglich habe ich kaum mehr als ein paar Seiten geschafft, bevor ich das Buch aus dem Fenster werfen wollte. Dann habe ich mir endlich mal die Printausgaben der restlichen Novellen besorgt und einen side-by-side reread angefangen, um zumindest ehrlich sagen zu können, warum ich die Übersetzung so miserabel finde:

Die Übersetzung der technischen Begriffe hat mich fürchterlich gestört. Das mag daran liegen, dass ich die Bücher zuerst auf Englisch gelesen habe und, gerade wenn es um Computer und Technik geht, einfach daran gewohnt bin englische Begriffe zu verwenden und für vieles überhaupt keine deutschen Pendants kenne. Einer der ersten technischen Begriffe, der dann gefühlt alle zwei Seiten wiederauftaucht, ist z.B. das HubSystem – die zentrale Schnittstelle all der Programme, die Murderbot und Co. im Hintergrund laufen haben. Hub ist dabei ein Begriff, der im Englischen für quasi jede Art von Knotenpunkt steht, vor allem aber wird er in Transport/Logistik und eben Netzwerktechnik Kontexten auch im Deutschen verwendet. Warum also wird aus Murderbots HubSystem plötzlich Killerbots HabSystem? Warum!?

Überhaupt fand ich die Übersetzung recht fragwürdig. An vielen Stellen hatte ich das Gefühl, dass der Ton der Übersetzung ein ganz anderer ist und hin und wieder gab es auch Stellen, die zwar, wenn man sich einfach nur die Worte anschaut, nicht falsch waren, den Sinn des Originals aber völlig verdreht haben. Als hätte sich der Übersetzer mehr darum gekümmert, dass der Wortlaut stimmt, als dass der Text sinngemäß übersetzt wird. Das ist sicherlich eine Möglichkeit an Übersetzungen heranzugehen, aber wohl kaum die beste. Natürlich bleibt die Story an sich die selbe. Die Handlungen und der Storyablauf können sich auch durch eine noch so (un)kreative Übersetzung kaum verändern. Aber es gehen so viele der Nuancen verloren, die Murderbot im Original so großartig machen …

Mein größtes Problem war aber wohl die Tatsache, dass Killerbot sich für mich sehr viel „männlicher“ liest als Murderbot. Und damit, und dem Rest des Artikels beziehe ich mich bewusst auf binäre Konstrukte und Klischees, die halt nun mal jeder von uns auf irgendeine Art verinnerlicht hat. In meiner Vorstellung hatte Murderbot z.B. beim Lesen keinen klar weiblichen oder männlichen Körperbau. Killerbot hingegen hatte plötzlich ein Aussehen, das eher dem Klischee einer „typisch männlichen“ Figur entspricht und ich habe er als Pronomen benutzt. Ich merke auch beim Schreiben dieser Rezension die ganze Zeit, wie ich von Killerbot als „er“ denke. Die Sache ist nur: Murderbot/Killerbot ist agender und hat schlicht kein Geschlecht, was es auch deutlich betont. Nicht weiblich, nicht männlich, auch nicht wirklich non-binary (wobei es hier auf die Definition ankommt), sondern einfach völlig außerhalb dieses Konstrukts, dieser ganzen Idee von Geschlecht. Es werden dementsprechend im Original auch it und in der Übersetzung es als Pronomen genutzt, also Pronomen, die oft mit (geschlechtslosen) Dingen assoziiert werden. Das wusste ich und beim Lesen des Originals entsprach meine Vorstellung der Figur dem eben auch irgendwie. Warum aber wirkte Killerbot dann so viel „männlicher“ als Murderbot?

Ganz einfach, weil es im Deutschen dieses nervige Ding namens generischem Maskulinum gibt. So viele Wörter im Deutschen sind eigentlich klar gegendert, aber oft wird eben nur die männliche Form benutzt, selbst wenn nicht nur (oder in diesem Fall sogar gar keine) Männer gemeint sind. Nur ist mitgemeint halt nicht mitgedacht und so denken die Lesenden/Zuhörenden eben trotzdem meist an Männer, wenn generisches Maskulinum genutzt wird – auch wenn Schreibende/Übersetzende damit gar keine Männer meinten. Das richtig Nervige ist, dass es sich hier kaum vermeiden lässt. Es gibt überhaupt nicht viele gegenderte Worte, die sich auf Killerbot beziehen, allein schon, weil die Geschichte aus der Ich-Perspektive erzählt wird und deshalb so Formulierungen wie „er/sie/es sah den Killer“, „der Mörder sagte“ und so weiter wegfallen. Aber Killerbot bezeichnet sich selbst halt unter anderem als Mörder und Killer – beides männlich gegenderte Worte. Dazu kommt, dass es im Deutschen eben auch der Bot ist (auch wenn Word mir das als Grammatikfehler markiert hat und das Bot draus machen wollte) und deshalb für Bots nicht ausschließlich es als Pronomen benutzt wird, sondern auch mal er, weil es halt grammatikalisch richtig ist. Auch wenn ein Bot als solcher eigentlich kein Geschlecht hat, ein grammatikalisches Geschlecht hat er im Deutschen halt schon.

Aus den schier endlosen Diskussionen, die starten, sobald jemand auch nur andeutet, dass das generische Maskulinum vielleicht nicht so toll ist (ist es nicht, es ist absoluter Mist und auch wenn seine Vermeidung eine bewusste Auseinandersetzung mit der eigenen Sprache fordert und nicht von jetzt auf gleich perfekt klappt, sollte es die Mühe eigentlich wert sein …), weiß ich natürlich, dass vielen Leuten das schlicht egal sein wird. Aber ich finde es halt einfach schade, denn eigentlich wäre diese Übersetzung das perfekte Format gewesen, um sich mit den Problemen des generischen Maskulinums zu befassen, diese typischen Muster in der deutschen Sprache aufzubrechen und damit zu spielen, wie sehr Sprache unsere Wahrnehmung beeinflusst.

And the winner is:

Zusammenfassend würde ich daher sagen: Ganz klare Empfehlung für Murderbot, aber lasst, wenn irgend möglich, die Finger von Killerbot! Während ich Martha Wells „The Murderbot Diaries“ wirklich sehr liebe und mich wahnsinnig auf den Roman freue, der nächstes Jahr erscheint, ist die deutsche Übersetzung „Tagebuch eines Killerbots“ in meinen Augen leider einfach Mist. Das hilft den Leuten, die die Bücher nicht im Original lesen können oder wollen natürlich leider sehr wenig, aber wenn ihr die Wahl zwischen Original und Übersetzung habt, lest das Original. Ich habe die Hoffnung, dass die Übersetzung weniger schlimm oder vielleicht sogar ganz gut ist, wenn man das Original nicht kennt (was jetzt nicht wirklich Sinn und Zweck einer Übersetzung ist), aber so wie sie ist und wie ich sie wahrgenommen habe, kann ich sie leider so gar nicht empfehlen. Schade! Trotzdem ist Murderbot großartig und wenn „misanthropisches Bot-Mensch-Konstrukt trampt durchs All und muss feststellen, dass es vielleicht doch menschlicher ist als gedacht“ euch auch nur ein bisschen neugierig macht: Lest die Bücher! ?


Für Fans von…

  • SciFi Novellen
  • Fiktion, die sich mit philosophischen Fragen beschäftigt
  • Allen, die sich irgendwie mit einem antisozialen, introvertierten und schüchternen Murderbot identifizieren können

Was andere Blogger sagen:

Habt ihr das Buch gelesen und rezensiert? Dann lasst mir doch einen Kommentar da und ich verlinke eure Rezension hier ?

10 Kommentare

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Sehr interessant was Du über die Übersetzung schreibst. Auch in den Onlineshops sind „Beschwerden“ über die Übersetzung zu finden. Was mich schon etwas wundert, da der Übersetzer genug Erfahrung mitbringt.
Ich habe lange überlegt, ob ich das Buch lesen soll. Schon eine Weile interessiert mich die Autorin, das Genre liegt mir. Aber dann habe ich die Leseprobe gelesen und mich gegen das Buch entschieden. Nun würde es mich allerdings nach Deinem Post doch noch einmal reizen. Dazu raten würdest Du aber nicht, oder? 🙂

Wie gesagt, die Story ist toll ? Dass die Übersetzung dem mMn nicht gerecht wird, ist … unglücklich, und führt dafür, dass ich sie nicht wirklich empfehlen mag, aber abraten kann ich davon auch nicht so richtig, dafür ist die Story einfach zu toll ?
Falls du es liest, bin ich auf jeden Fall gespannt auf deine Meinung und hoffe, dass es dir gefällt! ?

Ich habe mir das Buch gerade in den letzten Wochen als Hörbuch auf deutsch angehört und war so ziemlich begeistert. Nun fehlt mir natürlich der Vergleich zum englischen Original und möglicherweise sind in der akustischen Form auch einige Übersetzungssünden wieder ausgebessert worden oder einfach nicht aufgefallen.
Definitiv sind mir aber keine wirklich schlimmen „eindeutschungen“ aufgefallen.
Das Geschlecht von Killerbot habe ich mir zu Anfang als „eher männlich“ vorgestellt, es wurde irgendwann mal darauf hingewiesen, das… es? keine primären Geschlechtsmerkmale hat.
Spätestens seit dem Umbau durch das Forschungsschiff (im deutschen „FiFo“ für fieses Forschungsschiff, ich wittere eine Übersetzungssünde…) hatte Killerbot aber wohl ein weibliches Aussehen (was aber erst ein Kapitel bzw. eine Novelle später wirklich bekannt wird).

Mein Fazit: Für mich war Killerbot eines der besten Bücher, die mir die letzten Jahre untergekommen sind, nur getoppt von der „Bob“-Reihe („We are Legion“ / „Ich bin viele“), die vermutlich für jeden Murderbot/Killerbot-Fan zu empfehlen wäre.

Vielen Dank für deinen Kommentar! Ich finde diese unterschiedlichen Wahrnehmungen ja sehr spannend ? Ich glaube, beim Hören fallen einige „Übersetzungssünden“, die mir so negativ aufgefallen sind, auch einfach weg, weil sie vom Klang her funktionieren, nur von der Schreibweise nicht (das HabSystem wird ja wohl bspw ähnlich ausgesprochen wie das HubSystem im Original).
Ich werde nachher auf jeden Fall schauen, wie das „FiFo“ im Original heißt, das kommt mir nämlich auch komisch vor ?

Liebe Grüße

😮 HABsystem? Ernsthaft? Ok, mich interessieren die Novellen wirklich sehr, aber um solche Sprachsünden kann ich sehr schwer herum lesen. Daher wechsle ich auf die Originalversion auf meinem Wunschzettel.
Ich mag deine Vergleiche der Übersetzungen sehr, Rike :-*
LG
Sandra

Ja, HABsystem … Es ist so eine unwichtige Kleinigkeit, aber ich kann mich an sowas auch fürchterlich aufhängen ? Und danke, freut mich sehr, dass dir der Beitrag gefällt! Ich hoffe, die Novellen können dich auch begeistern ?
LG

Hallo Rike,

ich glaub, dieses Buch hatte ich schon einmal in der Buchhandlung in der Hand und war auch kurz davor es zu kaufen. Jedenfalls kommt mir das Cover sehr bekannt vor.
Bisher konnte ich mich nie mit puren Sci-fi Büchern anfreunden und dachte bei dem Buch, dass ich einer Frau die Chance gebe mich zu überzeugen. Doch irgendwie hatte ich dann doch kein gutes Gefühl bei dem Buch.
Und wenn du jetzt schreibst, dass die Übersetzung so unterirdisch schlecht ist, war es wohl ein Gutes, dass ich es wieder ins Regal gestellt habe. Mal schauen, vielleicht werde ich es mit einer Originalausgabe der ersten Novelle probieren. Auf dem Wunschzettel ist sie jedenfalls gehoppst. 😉

Liebe Grüße,
RoXXie

Nummer 6 ist draussen, hurra

In Band 4 ist mW. auch von „ihr“ die Rede…

Mit der Übersetzung war ich trotz (oder gerade wegen?) viel Alltagsenglisch ganz zufrieden. Für nicht alles (aber sehr vieles ) gibts sinnvolle deutsche Begriffe, wenn man mal etwas nachdenkt..

Und „Hab“ passt sowohl lautmalerisch als auch als inhaltliche Übertragung so schlecht nicht: „Hab“ ist eine der SF oft genutzte Abkürzung von „Habitat“ (Station/Basis/bewohnbares Objekt), siehe zB in „Der Marsianer“ (https://the-martian.fandom.com/wiki/The_Hab 9

Danke für die Rezension.

habe gerade in audible die hörbuchversion durch.
und hier wird von „außen“ also durch die Menschen permanent sie zu Killerbot gesagt wobei ich die ich erzählerstimme doppelt männlich hörte: die Stimme des vorlesers natürlich und die generischen Aspekte.
und im ersten Teil wartete ich quasi darauf dass eine Pointe eben darin besteht dass das Klischee des killerroboters als männlich gelesen sich eben zumindest beim Kopf als eher weiblich herausstellt…
Was auch die schockierten Reaktionen der Klient°innen erklärt hätte als diese killerbot ohne Helm sehen und diesey ua Sagt: guckt mich nicht an, ich bin kein sexrobot (sinngemäß).

interessante lese und hörerfahrung meinerseits…

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