Irgendwann im 18. Jahrhundert: Der junge Adlige Lord Henry Montague, Vicomte von Disley, soll nach diversen Skandalen im heimischen England seine Cavalaiersreise bzw. Grand Tour quer übers europäische Festland starten. An seiner Seite sein bester Freund Percy und seine Schwester Felicity, die unterwegs im Pensionat abgesetzt werden soll, sowie ein Hofmeister, der unterwegs für Zucht und Ordnung sorgen und Besserung des jungen Lords fördern soll. Also geht es auf nach Frankreich und von dort quer über den Kontinent, von Barcelona über Venedig nach Santorin, auf einer abenteuerlichen Reise, bei der auch Wegelagerer und Piraten eine nicht unbedeutende Rolle spielen und die die Beziehungen der drei jungen Leute auf die Probe gestellt werden.
Ich gebe zu, ich war schon beim Lesen der Inhaltsangabe hin und weg und total überzeugt von diesem Buch. Und dabei habe ich die deutsche Ausgabe ursprünglich total übersehen – im Original erscheint der Roman nämlich jetzt erst, das schon Monate vorher eine deutsche Übersetzung erschienen ist, ist mir erst vor kurzem klar geworden. Macht aber nichts, ich habe das Buch dann ja doch noch entdeckt und es hat sich prompt einen Ehrenplatz in meinem Regal gesichert. Denn auch wenn ich zu Beginn ein paar Probleme mit dem Schreibstil hatte, der in seiner auf altmodisch getrimmten Art mein von der elenden Hitze der letzten Woche geplagtes Hirn erstmal überfordert hat, bin ich schnell in der Geschichte versunken.
»Trinken wir auf unsere Gesellschatsuntauglichkeit.«
Cavaliersreise: Die Bekenntnisse eines Gentlemans von Mackenzi Lee
»Oh, aber ich bin tauglich! Nur die Gesellschaft nicht.«
Protagonist Monty ist ein zutiefst zerrissener Charakter – eigentlich sollte man meinen, dass ihm als Sohn eines britischen Adeligen alle Türen offen stehen, doch für Monty scheint es keine schlimmere Vorstellung zu geben als die Rolle seines Vaters einzunehmen. Seine Ausschweifungen haben ihn schon mehr als einmal in Schwierigkeiten gebracht und trotzdem scheint er nicht vorzuhaben, damit aufzuhören. Mit seiner quasi dauertrunkenen und ziemlich egozentrischen Art ist Monty erstmal alles andere als sympathisch, er offenbart aber schnell eine ungeahnte Tiefe hinter der Fassade des lasterlichen Gentlemans, der wiederholt der Sodomie bezichtigt wurde – zurecht natürlich, denn Monty ist bi und lebt das auch aus, im England des 18. Jahrhunderts nur leider höchst problematisch.
Auch Felicity, die erstmal nur in der Rolle der nervigen kleinen Schwester, die man gezwungenermaßen mitschleppen muss, auftritt, stellt sich im Laufe des Romans als wesentlich mehr heraus – ich fand sie sogar fast am Besten. Auch sie hat einige ganz ungeahnte Seiten und ist in vielerlei Hinsicht ihrer Zeit voraus. Oh, sie ist außerdem möglicherweise asexuell. Den Abschluss macht Percy, der als Schwarzer, der am Rande der britischen Oberschicht aufgewachsen ist, eine ganz ungewohnte Persepktive zum Roman beiträgt und nicht nur damit sondern auch mit seiner ganzen Art einen Gegenpol zu Monty bildet.
»Was nützen Versuchungen, wenn man ihnen nicht nachgibt?«
Cavaliersreise: Die Bekenntnisse eines Gentlemans von Mackenzi Lee
»Das wird man dir auf den Grabstein meißeln.«
Ich muss sagen, mich hat der Roman schon nach wenigen Seiten voll und ganz in seinen Bann gezogen. Die Charaktere sind super interessant und entwickeln sich im Laufe des Romans toll weiter. Die Handlung ist abenteuerlich und unterhaltsam, es geht quer durch Europa und die drei treffen allerlei faszinierende Leute, besonders die Piraten haben es mir ja angetan. Nur ein kleines Problem hatte ich mit der Handlung und zwar bin ich einfach kein Fan davon, wenn in einer total guten, realistischen Handlung in einem historischen Jugendbuch plötzlich fantastisch-alchemistische Elemente auftauchen. Das fand ich schon in Philippa Gregorys „Order of Darkness“-Serie total störend und auch wenn es hier bei weitem nicht so schlimm ist, überflüssig fand ich es trotzdem.
Ändert aber trotzdem nichts an meinem Fazit: „Cavaliersreise: Die Bekenntnisse eines Gentlemans“ von Mackenzi Lee ist ein großartiges Buch, mit tollen Charakteren, super Setting und einer abenteuerlichen Story. Dazu ist die ganze Geschichte einfach herrlich diverse und ziemlich gesellschaftskritisch, von mir gibt es dafür trotz der Alchemistensache, die nicht meins war, volle Punktzahl und eine dicke Empfehlung!
Für Fans von…
- historischen Jugendromanen
- queeren Jugendromanen
- starken, vielschichtigen Charakteren
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