TERF, #NotAllMen und meine Probleme mit dem ‚Feminismus‘ von Chimamanda Ngozi Adichie und Jagoda Marinić

Da sich die Autorinnen wunderbar ergänzen und ich einfach nicht den Nerv dazu habe, mehrere Beiträge zu ‚Feminismus‘-Büchern, die eher ins Altpapier als ins Regal gehören, zu schreiben, gibt es nun diesen wundervollen Post, in dem ich mich über alles gleichzeitig aufrege, yay!

Chimamanda Ngozi Adichies „We Should All Be Feminists“ ist ein Büchlein, das einem, wenn man auf der Suche nach feministischer Literatur ist, ständig über den Weg läuft. Da es mir auch von einigen Leuten empfohlen wurde, deren Meinung ich da eigentlich sehr vertraue, habe ich Anfang März die #WirLesenFrauen-Challenge zum Anlass genommen, um es endlich mal zu lesen. Ein rundum enttäuschendes Erlebnis, denn wie kann man dieses Büchlein als Paradebeispiel für Feminismus pushen?

Normalerweise wäre das meine erste und letzte Berühung mit Chimamanda Ngozi Adichies Texten gewesen, aber da ich zeitgleich mit „We Should All Be Feminists“ auch noch „Dear Ijeawele, or a Feminist Manifesto in Fifteen Suggestions“ gekauft hatte, habe ich das halt auch noch gelesen. Und hatte damit 1:1 die gleichen Probleme wie mit dem verschriftlichen TED-Talk, also dachte ich mir, ich schreibe dann halt einfach eine kurze Rezension zu beiden Büchern zusammen und gut ist. Dann habe ich Jagoda Marinićs kürzlich erschienes „Sheroes: Neue Held*innen braucht das Land“ gelesen und beschlossen, es auch noch dazu zu packen.

Warum? Ganz einfach: Sowohl Chimamanda Ngozi Adichie als auch Jagoda Marinic vertreten offenbar einen Feminismus, der für mich überhaupt keiner ist. Für mich ist moderner Feminismus inklusiv und vor allem intersektional – und beim besten Willen nichts, was (weiße cishet) Männer ins Zentrum stellt oder die Existenz queerer Menschen leugnet. Ausgehend von ihren Büchern sehen diese Autorinnen das wohl anders – und sind wohl teils mit ihren Ansichten in irgendeinem längst vergangenen Jahrzehnt stecken geblieben.

Und da sich alle drei Bücher so hervorragend ergänzen und ich einfach nicht den Nerv dazu habe, mehrere Beiträge hintereinander zu ‚Feminismus‘-Büchern, die eher ins Altpapier als ins Regal gehören, zu schreiben, gibt es nun halt kurzerhand diesen wundervollen Post, in dem ich mich über alles gleichzeitig aufregen kann, yay!

Chimamanda Ngozi Adichie – We Should All Be Feminists & Dear Ijeawele

Trans-exclusionary radical feminism, Heteronormativität und die Sache mit den Geschlechterrollen

Als ich „We Should All Be Feminists“ angefangen habe, hatte ich mich mit der Autorin noch nicht weiter beschäftigt und alles, was ich über sie wusste, war, dass sie in gefühlt jeder Sammlung feministischer Literatur auftaucht. Wer allerdings mal etwas genauer nach Infos zu Chimamanda Ngozi Adichie sucht, wird schnell feststellen, dass sie wiederholt als TERF (trans-exclusionary radical feminist) in die Kritik geraten ist. Und wenn man ihre Bücher liest und sich ein paar Interviews mit ihr anschaut, wird auch schnell klar wieso.

An einer Stelle in „We Should All Be Feminists“ schreibt sie „Men and women are different. […] women can have babies, men cannot.“ An einer anderen definiert sie den Verlust von Jungfräulichkeit als etwas, was zwei Personen gegensätzlichen Geschlechts benötigt und diese Stellen bringen eins meiner Probleme ziemlich genau auf den Punkt. Adichie ignoriert Queerness in all ihren Facetten. Sie ignoriert (und negiert) Menschen, die trans, intersex, genderfluid oder agender sind, in ihren Aussagen ebenso wie Menschen, die nicht heterosexuell sind.

Mit „Dear Ijeawele“ sieht es ganz ähnlich aus: Wieder liegt dem ganzen die Annahme zugrunde, dass es zwei gegensätzliche Geschlechter gibt und nichts darüberhinaus oder dazwischen oder abseits davon. Und auch hier zieht sich ein trans- bzw. generell queermisischer Grundton durch den Text und seine oh so feministischen Botschaften. Die Autorin sagt ganz offen, dass ihre Tipps in diesem Brief an eine Freundin, Mutter einer Tochter, auf ihrer Annahme beruhen, dass das Kind schon heterosexuell sein wird, weil sie sich andernfalls nicht qualifiziert fühlt, Tipps zu geben. Ähm … Bei der Grundeinstellung sollte man es vielleicht einfach lassen.

Dazu kommt, dass die Tipps nicht mal unbedingt besonders toll sind. Schon in „We Should All Be Feminists“ geht es um sehr, sehr grundlegende Sachen, die dem geneigten Publikum längst klar sein dürften. „Dear Ijeawele“ setzt gefühlt noch eine Stufe tiefer an. Und nicht nur das, ich hatte auch immer wieder das Gefühl, dass sich ihre Ratschläge oft drin begründen, das Gegenteil von dem zu tun / dem Kind nahezulegen, was im Patriarchat als ‚typisch weiblich‘ konnotiert ist. Das ist ein Ausgangspunkt, den ich – gelinde gesagt – schwierig finde, denn statt Wahlfreiheit und die Möglichkeit vorurteilsfreier Selbstentfaltung zu schaffen, werden ‚typisch weibliche‘ Eigenschaften / Tätigkeiten / etc. so weiterhin als negativ, schwächer und weniger erstrebenswert dargestellt.

Das große Problem dabei ist, dass – trotz allem, was ich hier als Kritikpunkte aufgezählt habe – so viel von dem, was in ihren Büchern steht, auf den ersten Blick absolut richtig und wichtig wirkt. Ihre Texte sind voller kurzer, knackiger Sätze mit gesellschaftskritischen Botschaften, die sich wundervoll als Feminismus 101 Lektionen zitieren lassen. Dass Ms Adichie sich aber auch gerne mal selbst widerspricht und ihre eigenen Ratschläge teils innerhalb weniger Seiten prompt ignoriert, fällt erst auf wenn man genauer hin sieht. Und dazu kommt eben, dass die Texte immer durchzogen sind von Heteronormativität und binärer Geschlechterordnung und damit an der Wirklichkeit vorbei gehen und alles, aber sicherlich nicht intersektional sind – und damit halt auch nicht wirklich feministisch.

Jagoda Marinić – Sheroes: Neue Held*innen braucht das Land

Wenn Feminismus plötzlich Männersache ist

Auf den ersten Blick ist „Sheroes“ von Jagoda Marinić eigentlich genau mein Buch. Das Cover trifft total meinen Geschmack, beim Untertitel hatte ich direkt Hoffnungen, dass es um Feminismus geht, der nicht auf einem binären Geschlechtssystem aufbaut und die Inhaltsangabe schien mehr als nur Grundlagen des Feminismus zu versprechen. Bewertungen gab es online noch keine, also blieb mir nicht viel, als das Buch zu kaufen und selbst zu lesen. Nun ja.

Es gibt auf Amazon und Goodreads auch jetzt noch nicht viele Bewertungen zum Buch (nur 9 insgesamt), die Sache ist also alles, aber sicherlich nicht repräsentativ. Ich musste trotzdem ein wenig lachen, denn während „Sheroes“ auf Amazon 4,6 Sterne hat und wenigstens zwei der 3 begeisterten Rezensionen laut der Nutzernamen wohl von Männern kommen, gibt es auf Goodreads gerade mal 2,17 Sterne dafür – und die Bewertungen scheinen größtenteils von Frauen zu stammen. Kann man sich jetzt bei denken, was man möchte, aber für mich passt das einfach ganz gut zu meinen Problemen mit dem Buch.

Denn Jagoda Marinić nimmt in „Sheroes“ #MeToo als Anlass, um Männer zum Gespräch über Feminismus einzuladen. Dieser Ansatz ist auf so vielen Ebenen seltsam, dass ich kaum weiß, wo ich anfangen soll. Aber eigentlich bietet sich dafür ein Hashtag an, und zwar nicht das, das Marinić als ‚Gesprächsangebot‘ auslegt (ich hätte bei der Formulierung in der Inhaltsangabe schon skeptisch werden sollen, oder?), sonder das, das es dann ja auch in den Titel dieses Posts geschafft hat, weil es mir schon nach wenigen Seiten nicht mehr aus dem Kopf gehen wollte: #NotAllMen statt #MeToo.

Sie zieht sich nämlich durch das gesamte Buch: Diese „Euer Feminismus ist böse, weil er Männer pauschal verteufelt, obwohl die gar nicht alle so sind, und richtiger Feminismus muss den guten Männern auch eine Plattform bieten!“-Mentalität. Die Ansicht, dass Feminismus nur funktioniert, wenn man Männern zuhört und dass, wenn wir doch nur alle einfach ein bisschen mehr miteinander reden – und dabei auch ja die armen, vom Feminismus so oft verschrienen Männer zu Wort kommen lassen -, sich all unsere Probleme schon irgendwie lösen lassen. Man könnte jetzt sagen, dass es ein gewagter Ansatz ist, Männern unter dem Schlagwort Feminismus eine Plattform bieten zu wollen. Man kann aber auch ganz klar sagen, dass das nicht gewagt, sondern so ziemlich völlig am Thema vorbei ist.

Denn Männer, besonders die der Kategorie alt, weiß und cishet, brauchen beim besten Willen keine zusätzliche Plattform – sie haben mehr als genug Reichweite und tun auch ihre Meinungen zu Feminismus oft genug kund. Ihre Ansichten sind in unserer Gesellschaft so dermaßen überrepräsentiert und es will mir nicht in den Kopf, dass man ausgerechnet ein Thema wie Feminismus, bei dem es doch eben auch darum geht, anderen Menschen eine gleichwertige Plattform zu schaffen, nimmt und es als etwas darstellt, dass nur funktioniert, wenn Männer mehr mitreden dürfen, als sie eh schon tun, und wir uns ihre Meinungen geduldig anhören. Um Gleichberechtigung (und darum geht es bei diesem Thema nun mal) zu schaffen, ist es wohl nicht die sinnvollste Strategie, ausgerechnet die privilegierteste Gruppe vermehrt zu Wort kommen zu lassen oder diese gar als Opfer darzustellen.

Dazu kommt auch hier wieder nahezu absolute Binärität, die trans, enby, inter und genderqueere Menschen ausschließt und ich bin beim Lesen mehrfach über Formulierungen gestolpert, die irgendwas zwischen unglücklich gewählt und eindeutig diskriminierend sind. Intersektional und inklusiv ist eindeutig anders. Im Grunde liest sich „Sheroes“ über weite Strecken daher wie ein Plädoyer an (weiße, heterosexuelle) cis Frauen, die doch bitte möglichst männerfreundlichen Feminismus ausüben sollen. Das hat für mich herzlich wenig mit modernem Feminismus gemeinsam und ist auch beim Streben nach Gleichberechtigung meiner Ansicht nach herzlich wenig zielführend, allein schon, weil es wieder in so vielen Aspekten an der Realität vorbei geht.

Abschließend möchte ich euch hier unbedingt noch die kluge und zurecht wütende Rezesion von Mareike auf Crow and Kraken empfehlen, in der es unter anderem auch ausführlicher um #MeToo und Marinics fragwürdige Aussagen zu sexualisierter Gewalt geht.

1 Kommentar

Kommentieren

Schreibe einen Kommentar