Carriger, Gail: Competence

Ich finde den Begriff ‚guilty pleasure‘ eigentlich ziemlich ätzend. Aber kennt ihr das, wenn ihr etwas lest, es einerseits total unterhaltsam findet und andererseits genau wisst, dass es Elemente enthält die mindestens cringeworthy wenn nicht sogar downright problematic sind? So geht es mir mit den neueren Romanen in Gail Carrigers Parasolverse.

Ich finde den Begriff ‚guilty pleasure‘ eigentlich ziemlich ätzend. Aber kennt ihr das, wenn ihr etwas lest, es einerseits total unterhaltsam findet und andererseits genau wisst, dass es Elemente enthält die mindestens cringeworthy wenn nicht sogar downright problematic sind? So geht es mir mit den neueren Romanen in Gail Carrigers Parasolverse. Schon die „Finishing School“ Serie hatte so ihre Probleme, in „Custard Protocol“ haben diese nochmal ordentlich zugenommen.

Und trotzdem finde ich die Romane irgendwo auch immer noch unterhaltsam. Naja, oder eher: ich fand sie unterhaltsam. Denn mit dem dritten Teil der Serie, „Competence“, legt Gail Carriger tatsächlich den ersten Roman vor, an dem mich mehr genervt als unterhalten hat. Dabei enthält die Geschichte sogar ein Element, auf das ich lange gewartet habe: Die erste non-hetero-romance, die tatsächlich on-page in einem der Haupttitel des Parasolverse stattfindet. Bisher war das (glückliche) Liebesleben der queeren Parasolverse Figuren immer nur auf Hintergrundgeschehnisse und Novellen beschränkt.

Aber das wiegt leider nicht all die anderen Probleme auf, die ich mit dem Roman hatte, im Gegenteil, in einigen Aspekten hat es sie sogar noch verschlimmert. Das fängt damit an, dass „Competence“ eine wirklich nur hauchdünne Handlung hat, wenn man vom Romance-Plot einmal absieht. Und der ist auch weniger Plot als viel mehr … ich bin mir nicht sicher, wie man es nennen soll, eine anhaltende Diskussion der Charaktere darüber, ob Homosexualität nun gut oder schlecht ist? Einerseits fand ich die moralischen struggles der Protagonistin nicht uninteressant und auch sehr angebracht, wenn man die Welt, in der sie aufgewachsen ist, bedenkt. Andererseits war die Beziehung, auf die diese struggles hinausgelaufen sind, schon seit dem ersten Band absehbar, sodass es irgendwann einfach too much wurde und einem Element, das absolut predictable war, viel zu viel Raum geboten wurde.

Dadurch, dass bereits so viel Raum auf die lovestory ‚verschwendet‘ wurde, ist etwas, was mich schon in den vorherigen Bänden enorm gestört hat, noch nerviger geworden: Die ewigen Dialoge, die sich um absolut gar nichts drehen, außer um tea vs travel gowns, crumpets vs kippers und allerlei anderen unnötigen Kladderadatsch, der vermutlich die Victorian Vibes verstärken soll, auf Dauer aber einfach nur langweilig ist. So viele Gespräche zwischen den Charakteren haben einfach überhaupt keinen relevanten Inhalt, sondern drehen sich nur um diese absolut nebensächlichen Dinge. Das mag ein oder zwei Mal völlig okay sein, aber wenn es sich durch ein ganzes Buch (bzw. eigentlich ja eine ganze Serie) zieht, ist es irgendwann wirklich gut.

Ein bisschen Story gibt es allerdings auch noch. Viel ist es wirklich nicht, aber es existiert. Und ist leider eher wenig überzeugend. Denn wie schon in den ersten zwei Bänden steht auch hier die Handlung wieder unter dem Zeichen des „White Savior Syndroms“. Prudence, Primrose und Co. machen sich diesmal auf nach Südamerika und natürlich, wie sollte es anders sein, müssen sie mal wieder die übernatürlichen Einheimischen retten. Das ist einfach nicht sonderlich kreativ und vor allem absolut keine positive Darstellung nicht-europäischer Kulturen. Dazu kommen einige andere kleine Elemente rund um diese speziellen Übernatürlichen, die mir sauer aufgestoßen sind.

Insgesamt ist „Competence“ von Gail Carriger leider absolut nicht die Fortsetzung, die ich mir erhofft hatte. Während der Schreibstil der Autorin immer noch toll ist, lässt die Story leider an allen Ecken und Enden zu wünschen übrig. So sehr ich es auch feier, dass ein nicht-hetero Pärchen hier in den Mittelpunkt gerückt wird, das kann leider nicht über die sonst sehr platte und unausgewogene Story hinwegtäuschen. Ich werde „Reticence“ zwar auch noch lesen und hoffe auch irgendwo immer noch auf ein Wunder, aber besonders hohe Erwartungen habe ich leider nicht mehr. Dabei sind die Parasolverse-Novellen, die zwischenzeitlich erschienen sind, so gut gewesen!


Für Fans von…

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Was andere Blogger sagen:

Habt ihr das Buch gelesen und rezensiert? Dann lasst mir doch einen Kommentar da und ich verlinke eure Rezension hier ?

2 Kommentare

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Danke für die ausführliche Rezension! Ich hatte mal vor langer Zeit die ersten paar Romane der Autorin gelesen und finde schade, in welche Richtung sich die Reihe anscheinend entwickelt hat. Für solche Bücher finde ich die Bezeichnung „Guilty Pleasure“ aber schon passend und kann auch gut nachvollziehen, wieso du sie trotzdem liest, ich habe da auch so meine Kandidaten. 😀

Alles Liebe,
Kat

Immer gerne doch!
Und ja, ich finde es auch immer wieder schade, weil mir so vieles an den Romanen wirklich gut gefällt und ich denke, dass da einige gute Ideen drin stecken, aber die Kritikpunkte, die ich habe, sind halt wirklich Dinge, die einfach nicht gehen. Ich hoffe jetzt einfach, dass im vierten Band noch ein Wunder geschieht oder sie sich danach etwas anderem zuwendet, das besser funktioniert.
Aber gut zu wissen, dass ich nicht allein bin 😀 Und ja, hier passt „guilty pleasure“ schon irgendwie.

Alles Liebe
Rike

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